Die Medina von Fès – المدينة فاس

Die Medina von Fès, geschichtlicher Überblick

Fès, gegründet von Idris II. im Jahre 808 als Al Aliya am linken Ufer des Oued Fès, entwickelte sich rasch zu einer wichtigen Stadt. Fès ist die älteste der vier marokkanischen Königsstädte und war immer schon ein wichtiges Handelszentrum, sowohl an der Verbindungsroute vom Mittelmeer in das Landesinnere als auch als wichtiger Knotenpunkt der Ost – West – Handelsroute.

Zwei wesentliche Ereignisse bestimmten die Entwicklung von Fès: ca. um 820 siedeln sich etliche tausend, aus Cordoba von den Ummayaden vertriebene Familien im andalusischen Viertel an, etwa zur selben Zeit werden zahlreiche Familien aus dem tunesischen Kairouan vertrieben und lassen sich im gegenüber liegenden Stadtteil nieder. Sie bringen wesentliches kaufmännisches und handwerkliches Können mit.

Im Jahre 859 wird die Kairaouine Universität und Moschee von der wohlhabenden Kaufmannstochter Fatima el-Fihrya gegründet. Die Universität erlangt rasch Weltruhm und ist auch heute noch, obwohl in die Neustadt umgesiedelt, nach Al Akhzar in Kairo die zweit wichtigste islamische Universität.

Seine Hauptstadtfunktion verlor Fès im 11. Jahrhundert mit der Gründung von Marrakech, die Almoraviden verlegten die Hauptstadt dorthin. Aber schon im 13. Jahrhundert eroberten die Meriniden Marokko und verlegten die Hauptstadt wieder nach Fès. Das neue Fès, Fès el Jedid, wurde außerhalb der alten Stadt ( Fès el Bali) erbaut.

Fès gilt als eine der schönsten Städte des islamischen Orients und hat sich seinen mittelalterlichen Charakter und Charme fast vollständig erhalten.

Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war Nichtmuslimen der Zutritt in die Medina strengstens verboten.

 Die Struktur der Medina, Privates und Öffentliches

1. Der private Bereich

Die Struktur der Medina von Fès entspricht noch weitgehend mittelalterlichem, arabischem Vorbild. Sie ist unterteilt in Wohnviertel, die dem privaten Bereich zugeordnet sind und dem öffentlichen Bereich, der die Souks und Handwerkerläden beherbergt.

Die Wohnbereiche verfügen typischerweise über ein Hammam, einen öffentlichen Ofen und eine Moschee. Dies sind alles Einrichtungen, die dem privaten Bereich zuzurechnen sind und in der Regel nur von den Bewohnern des Viertels genutzt werden. Größere Viertel verfügen manchmal über einen kleinen Lebensmittelmarkt. Heute gibt es zum Teil auch kleinere Geschäfte, sogenannte Hanuts mit Artikeln des täglichen Bedarfs sowie Brot und Grundnahrungsmitteln (auf marokkanisch – arabisch: Hanut – حانوت ) Die Wohnbereich sind über eine Verbindungsgasse erreichbar, von der oft kleine Sackgassen abgehen. Oft wacht am Eingang zum Viertel noch ein Wächter über den Zutritt.
Auch wenn das heute auf Grund der Touristenscharen nicht mehr so eng gesehen wird: Fremde, egal welcher Herkunft, sind in diesem privaten Bereich nicht gerne gesehen. Dies gewährleistet für die Bewohner Sicherheit und soziale Kontrolle mit allen Vor- und Nachteilen.

Die Gassen ( derb – درب ) sehen sich zum Verwechseln ähnlich, lange Fluchten von Hauswänden, unterbrochen nur von den Haustüren. Diese Türen sind der einzige Anhaltspunkt für Größe und Ausstattung des Hauses, je prachtvoller die Tür, desto eher darf man dahinter auch ein prachtvolles Haus erwarten.

1.1 Die Häuser der Medina

1.1.1 Das Fassi – Haus

Das typische Haus ( Dar – دار ) hat einen rechteckigen bis quadratischen Grundriss und verfügt immer über einen Patio (Innenhof) . Der Eingangsbereich ist stets so verwinkelt, dass das Innere des Hauses nicht eingesehen werden kann. im Erdgeschoss gibt es in der Regel zwei sich gegenüberliegende Salons sowie einen Brunnen, der sich bei kleineren Häusern an einer Wand, bei Größeren auch in der Mitte des Patios befindet. Er spendet im heißen Sommer Kühle und erinnert durch sein stets fließendes Wasser an die Verheißungen des Paradieses.
Weiter Räume befinden sich auf den Etagen, darunter die Schlafräume sowie kleinere Vorratszimmer. Die Küche liegt stets im hinteren Teil des Erdgeschosses und ist, weil Frauenbereich, auch vom Patio nicht einsehbar. Bei kleineren Häusern ist die Küche oft nahe des Eingangsbereich in einem Souterrainraum angelegt. Große Häuser und Riads verfügen über einen separaten Lieferanteneingang nahe des Kochbereichs. So können Lebensmittel und Vorräte angeliefert werden, ohne das Familienleben im Innenbereich zu stören.

1.1.2 Der Riad

Weitaus seltener anzutreffen sind sogenannte Riads ( رياض ) die immer im Innenhof mit einer üppigen Vegetation ausgestattet sind, oft Orangen- oder Zitronenbäume. Im heutigen (touristischen) Sprachgebrauch werden oft auch die einfachen Häuser als Riads bezeichnet, was aber falsch ist. Sie sind sehr viel größer als die Dars und wurden oder werden von reichen Familien bewohnt und sind entsprechend opulent ausgestattet. In der Mitte des Innenhofs befindet sich stets ein Brunnen.

2. Der öffentliche Bereich

Dem öffentlichen Bereich zugerechnet werden die verschiedenen Souks sowie die Hauptmoscheen Al Karaouine und Al Andalous sowie das Mausoleum von Moulay Idriss II. Die Wohnviertel sind über Durchgangsgassen mit dem öffentlichen Bereich verbunden. Man kann also sagen, dass die Wohnviertel sich wie abgeschlossenen Inseln um den öffentlichen Bereich gruppieren.

In Fès wird der öffentliche Bereich über die Stadttore betreten, von dort führen etwas breitere Gassen quer durch die Medina bis sie schließlich an einem anderen Tor enden.
Wenn man beispielsweise die Medina von Weste am Bab (Tor) Boujeloud betritt, so führt der Weg entweder über die Gasse Talâa Kebira ( اطالعة الكبيرة ) oder die Talâa Seghira ( اطالعة اصغيرة ) bis hinter ans östliche Ende zum
Bab Ftouh ( باب فتوح ). Diese Achse durchquert die Hauptsouks.
Vom nördlichen Ende am Qued Zhoun ( ود صحون ) geht es über die Nord – Süd – Achse bis zum Bab Rcif. Andere Stadttore wie beispielsweise das Bab Gissa bieten Einstiege, die meist auf diese Hauptachsen treffen.

Im Schnittpunkt der Achsen liegt der Hauptgeschäftsbereich im Souk Attarine und in der Kisseria. In diesen Bereichen werden die Touristenscharen durchgeschleust. Sie kommen mit den privaten Bereichen nicht in Berührung.